Angefangen hatte alles ja eigentlich damit, dass das Kata-Spezial in Magdeburg, das Gasshuku in Meppen und auch sonst alle Lehrgänge und Veranstaltungen im Frühjahr und Sommer coronabedingt ausfallen mussten. Da das im Vereinsleben und im Sportlerherzen natürlich eine Lücke hinterlässt, die danach ruft irgendwie geschlossen zu werden, hatte der Vorstand und speziell Werner schon eine Weile überlegt, ob und wie nicht zumindest eine kleinere Alternativveranstaltung als Trostpflaster auf diese kollektive Wunde geklebt werden könnte. Da offenbar mehrere Herren des Vorstands ergänzend zur Karatelaufbahn auch eine gewisse (breiten-) radsportliche Geschichte haben, einige weitere Vereinsmitglieder die Freude am Rad teilen und die Coronasituation ja Biken allgemein nochmal mehr trendig gemacht hat, war die Idee einer Vereinsausfahrt geboren.
Am Samstag, dem 11.Juli war es dann soweit: Olli, Carsten, Werner, Beate, Martina und ich standen früh um neun am Eingang vom Leuzebad bei anfänglich noch teilweise mit dicken dunklen Wolken behangenem Himmel am Startpunkt unserer Ausfahrt rund um Stuttgart. Ich gebe zu, ich war wegen der Strecke zunächst etwas skeptisch. Werner hatte den Radel-Thon herausgesucht, eine Strecke einmal rund herum um`s hügelige Stuttgart, von einem ehemaligen Radprofi konzipiert, landschaftlich als reizvoll beschrieben uuuund – offiziell 83 km lang. Ich muss gestehen, meine gewöhnliche Hausrunde ist dann doch deutlich kürzer. Als alle eingetrudelt waren, kam dann auch die Sonne raus und los ging`s bei optimalen 20 Grad, dem Neckar folgend, anfangs durch die Stadt, schnell aber dann durch Weinberge und Felder, später hauptsächlich Wald. Die Ausblicke auf Stuttgart und Umgebung, die die Strecke bietet, waren zahlreich und teilweise wirklich toll. Wir hatten auf der Strecke kaum störenden Verkehr und die Erklärungen der mitradelnden gebürtigen oder langjährigen Stuttgarter zu Geschichte und persönlichen Bezügen zu den einzelnen Örtlichkeiten hielten das Ganze zusätzlich sehr kurzweilig. Die erste kurze Sporteinlage bot dann der Anstieg Richtung Solitude. Über immer noch gut fahrbare befestigte Waldwege musste tatsächlich etwas gekurbelt werden, um die knapp 200 m Höhe aus dem Talkessel zu überwinden.
Alles in allem hielten sich Steigung und Anstrengung aber für alle durchaus in vernünftigen Grenzen und nach den ersten drei Stunden Fahrzeit konnten wir im ehemaligen Forsthaus und heutigen Ausflugslokal Katzenbacher Hof wieder die Beine strecken und uns stärken. Nach einer knappen Stunde ging es dann weiter über Vaihingen, die alte Panzerstraße, an Möhringen vorbei, durch das Körschtal und über die Felder Richtung Degerloch und Dojo als Endziel der Rundfahrt. Ich stellte dabei -wieder einmal – fest, dass sich beim Radfahren dem auf längeren Strecken in Stuttgart gewohnheitsmäßig Automobilen immer wieder neue Perspektiven auftun. „Ach hier kommt man dann raus!“, „Das liegt ja eigentlich ganz nahe beieinander!“ Wo man wegen der komplizierten Stuttgarter Topologie per Auto um drei Hügel, durch zwei Tunnel und noch über eine Brücke muss oder auf der Schnellstraße 10 km im Bogen fährt, ist man mit dem Rad teilweise eben auch in 10 Minuten da. Und das Ganze auf teilweise landschaftlich noch recht schöner Strecke.
Als Randnotiz noch der Hinweis, dass es Olli kurz vor Degerloch auf der letzten Steigung dann doch noch den Akku seines E-Bikes gelehrt hat und er den vorausschauend eingepackten Zweitakku einsetzen musste. Wer also mit dem Gedanken spielen sollte, den Radl-Thon auch einmal auszuprobieren und sich dies mit einem E-Bike erleichtern möchte, sollte vorsichtig sein und es Olli nachtun.
Nach knapp zwei weiteren Fahrstunden bei strahlendstem und trotzdem nicht zu heißen oder schweißtreibendem Sonnenschein und insgesamt ca. 65 km Strecke hatten wir es dann in Vorfreude auf das leckere Ziel-Hefeweizen vom Fass bis zum Dojo geschafft und … die Vereinsgaststätte hatte geschlossen! Der neue Pächter war nach eigenem Mittagsmahl gerade im Aufbruch in die Mittagspause! Mussten wir das verdiente Bier aufgeben? In einer anderen Wirtschaft fremdgehen? Glücklicherweise konnte Olli die Situation und den Schluss der Ausfahrt doch noch retten und den Wirt überzeugen, uns doch noch unsere Belohnung zu servieren. Die haben wir dann noch ein weiteres Stündchen genossen und dabei über allerlei Dinge geplaudert bevor wir die Fahrgruppe auflösten und einzeln den Heimweg antraten.
Trotz Heimweg bin zumindest ich dann leider nicht mehr auf die offiziellen mehr als 80 km gekommen, aber die Strecke macht sich trotzdem gut in meinen Trainingsaufzeichnungen. Hauptsächlich war es jedoch ein rundrum gelungenes Event, was tatsächlich FAST an ein Kata-Spezial oder Gasshuku herankommt. Vielen Dank deshalb an dieser Stelle nochmal an die Ideengeber und Vorbereiter unserer schönen und interessanten Ausfahrt. Ich freue mich jedenfalls auf die nächste Aktivität.
Stephan Fischer